Aerodynamik

Schon ab einer Geschwindigkeit zwischen - je nach Beispiel - 50 und 70 km/h ist der Luftwiderstand der stärkste bremsende Einfluss für einen PKW, bedeutsamer noch als der Rollwiderstand der Räder. Selbst auf innerörtlichen Strecken spielt der Luftwiderstand eine nicht unwesentliche Rolle für den Energiebedarf, also Kraftstoffverbrauch.

Es lohnt daher, beim Kauf eines Fahrzeugs auf die aerodynamischen Eigenschaften zu achten. Mit etwas Übung kann man auch erkennen, wo ein Fahrzeug aerodynamische Schwächen oder Stärken hat.

Grundsätzlich ist der Luftwiderstand umso geringer, je ungestörter der Fahrtwind an dem Wagen vorbeiströmen kann. Jede Verwirbelung ist einem günstigen Luftwiderstandsbeiwert, dem cw-Wert, abträglich.

Solche Wirbel entstehen unter anderem im Stau flacher Frontflächen, noch stärker bei eingesenkter (konkaver) Oberfläche, während abgerundete Frontpartien Wirbelbildung weitgehend vermeiden. Dies zeigt ein Vergleich von cw-Werten: Eine Kugel hat einen cw-Wert von 0,45, eine Kreischeibe gleichen Durchmessers einen (schon viel schlechteren) von 1,1 und eine ebenso große Halbkugelschale mit der eingesenkten Seite nach vorn einen mieserablen cw-Wert von über 1,3.

Die Automobilindustrie hat dieser Tatsache Rechnung getragen, indem die Frontpartien der PKW im Laufe der Jahrzehnte von kantigen und zerklüfteten Formen zu stärker abgerundeten Formen weiterentwickelt wurden.

Doch noch weitaus mehr Entwicklungspotenzial wird sichtbar, wenn man den im oben gezeigten Vergleich relativ gut erscheinenden cw-Wert der Kugel mit dem eines Tropfens cw = 0,05 (!) vergleicht. Das ist ein um ca. 90 % geringerer Luftwiderstand! Dies zeigt, dass der aerodynamisch günstigen Gestaltung der Seiten- und Heckpartie eines Körpers eine außerordentlich große Bedeutung zukommt und dass für den Automobilbau gerade hier besondere Entwicklungsreserven stecken.

Sehen wir uns das Strömungsbild hinter einer Kugel an, so fällt auf, dass sich seitlich der hinteren Kugelhälfte und hinter der Kugel starke Wirbel bilden, deren Antrieb zu Lasten der Bewegungsenergie der Kugel geht, diese also recht stark abbremst.

In der PKW-Aerodynamik stößt man daher bei kurzen, kompakten Formen viel eher an Grenzen der aerodynamischen Optimierbarkeit als bei lang gestreckten Fahrzeugen. Luftwiderstandsbeiwerte von Klein- und Kompaktwagen liegen heutzutage immer noch überwiegend über 0,30, während Limousinen diesen Wert großenteils unterbieten. Bei der Entwicklung des kürzesten Serienautos, des Smart Fortwo waren die aerodynamischen Probleme also ungleich größer als bei lang gestreckten PKW. Der erzielte cw-Wert von 0,37 ist so gesehen eine sehr beachtliche Ingenieursleistung, der Smart ist aerodynamisch deutlich günstiger als eine Kugel, an welcher er bei seiner Proportionierung fairerweise zu messen ist.

Da aus verschiedenen praktischen Gründen ein PKW nicht in Tropfenform gebaut werden kann, entstehen namentlich hinter dem eben nicht spitz auslaufenden Fahrzeug unvermeidlich Wirbel. Im Windkanal wird ausgetestet, mit welcher Heckgestalt diese in Grenzen gehalten werden können. Eine Bahn brechende Erkenntnis war, dass die Kofferraumpartie angehoben werden muss. Vorreiter waren NSU Ro 80 und Alfa Romeo Giulia Super. In Verbindung mit einer flachen Heckscheibe wird der Luftabriss dadurch von seiner ursprünglichen Position an der hinteren Dachkante an die obere Kante des Kofferraumdeckels verlagert, was die ehemalige Wirbelzone über dem Kofferraumdeckel durch einen Bereich weitgehend laminarer Strömung ersetzt.

Lediglich Coupés hatten (v. a. wegen ihres niedrigeren Dachs und der flacheren Heckscheibe) noch früher diese vorteilhafte Lage der oberen Luftabrisskante am Kofferraumdeckel, die heute bei jedem PKW in der klassischem Limousinenform realisiert ist. Bei den meisten Klein- und Kompaktwagen sowie bei Kombis liegt der Luftabriss an der hinteren Dachkante.

Weitere Verbesserungen konnten mit der Wölbung der Dachpartie erzielt werden, so dass nun die Konturen von Frontscheibe, Dach und Heckscheibe ohne Absätze ineinander übergehen. Die wirbelfrei umströmende Luft liegt noch enger am Fahrzeug an, die unmittelbar an der Oberfläche befindliche Schicht der Mikrowirbel kann noch dünner gehalten werden. Einen großen Beitrag hierzu liefert auch das dank moderner Klebetechnik mögliche kanten- und absatzfreie bündige Einpassen der Scheiben in die Linienführung der Karosserie.

Auch die unterhalb des PKW entlanglaufende Strömung bereitet über Wirbelbildungen prinzipiell gleichartige Probleme, so dass man auch hier um Glättung bemüht ist. Bis zur glatten Vollverkleidung des Wagenbodens hat man sich nur in wenigen Fällen vorgewagt, da auch Nachteile, u. a. hinsichtlich der Zugänglichkeit (Auspuffanlage, Bremsleitungen) zu bedenken sind. Doch was die Frage des hinteren Luftabrisses angeht, sieht man bei fast allen PKW heutiger Fertigung unterhalb des hinteren Stoßfängers eine in die Karosserie- oder Stoßfängerform integrierte Luftabrisskante. Im Resultat wird der unter dem Wagen fließende Hauptstrom nun möglichst wirbelfrei nach hinten /oben geleitet, so dass er sich ein Stück hinter dem Fahrzeug mit dem von oben übers Dach und die Kofferraumpartie geführten Strom möglichst verwirblungsarm vereinigen kann.

Auch die Bodenhaftung eines Wagens wird von der Aerodynamik entscheidend mitbestimmt. Bei stärkeren Motorleistungen und höheren Geschwindigkeiten ist dies der gegenüber der Windschlüpfrigkeit wichtigere Aspekt. - Auf den ersten Blick ist man sehr verwundert, wenn man erfährt, dass ein Formel1-Rennwagen einen absolut miserablen cw-Wert von über 1,0 hat. Das liegt nicht nur an der fehlenden Verkleidung der riesigen Reifen, sondern auch daran, dass sowohl vorne unten als auch hinten oben Flügel installiert sind. Diese Flügel sind wie umgedrehte Flugzeugflügel gewölbt und gestaltet, so dass sie dem Fahrzeug einen gewaltigen Abtrieb verleihen, mit welchem diese Fahrzeuge in Kurven unglaubliche Seitenführungskräfte aufbauen - aber eben zu Lasten eines günstigeren Luftwiderstandsbeiwertes.

Diese Zusammenhänge sollte auch jeder kennen, der sich Frontspoiler und/oder Heckflügel anbringen möchte. Beide sind bei passender Auslegung sehr geeignet, die Bodenhaftung zu verbessern, aber zumindest ein Heckflügel verschlechtert im Regelfall den cw-Wert. Ausnahmen kann es bei Fahrzeugen mit "serienmäßig" deutlicher Wirbelbildung in der Partie über und hinter dem Kofferraumbereich geben. Frontspoiler verbessern dadurch die Bodenhaftung, dass sie einen Teil der sonst unter dem Wagenboden hindurch fließenden Luft seitlich vorbeileiten. Weniger Luftteilchen unter dem Fahrzeug bedeuten aber eine Verringerung des sonst bei Straßenfahrzeugen leicht auftretenden Überdrucks bzw. Auftriebs.

Eine weitaus weniger aufwändige und auch optisch wenig aufdringliche Konstruktion ist ein Radspoiler. Diese in (schwarzem oder anthrazitfarbenem) Gummi oder Plastik ausgeführten Gebilde werden an der vorderen Kante der Radgehäuses (der Vorder- immer häufiger auch der Hinterräder) verankert. Sie dienen dazu, Luftwirbel im Stau der Reifen zu vermeiden, indem sie die frontal auftreffende Luft zur Seite leiten, bei gelungener Gestaltung bevorzugt nach außen. So werden mit wenig konstruktivem Aufwand drei vorteilhafte Effekte erzielt: Der cw-Wert wird durch die Wirbelverminderung gesenkt und die Bodenhaftung wird bei gelungenem Design aus gleich zwei Gründen verbessert, zum einen bringt schon alleine die Wirbelverminderung im Bereich der Fahrzeugunterseite eine durchschnittlich höhere Teilchengeschwindigkeit mit sich, die nach dem Bernoullischen Gesetz eine Druckminderung zur Folge hat. Der Druck kann zusätzlich abgesenkt werden, wenn durch passende Gestaltgebung der Radspoiler mehr Luft außen an den Rädern vorbeigeführt wird als innen.

Eine für den Luftwiderstandsbeiwert je nach Ausgangsbedingungen mehr oder weniger neutrale Struktur ist ein Diffusor. Dabei handelt es sich um runde oder eckige Rohre bzw. Schächte, deren Querschnitt sich von der Lufteintrittsseite (vorn) zur Austrittsseite hin vergrößert. Bei Autos werden Diffusoren hinten unter bzw. integriert in den hinteren Stoßfänger platziert. Da die Straße nach unten ohnehin eine Luftstrombegrenzung bildet, sind mache Diffusoren nach unten offen. In jedem Fall überführen sie den idealerweise raschen, gebündelten Luftstrom, der unter dem Fahrzeugboden dem Heck zustrebt, in den langsamern und stärker ausgebreiteten (diffusen) Luftstrom hinter dem Fahrzeug. Diffusoren sorgen durch Druckminderung unter dem hinteren Wagenboden nach dem Bernoulli-Prinzip für bessere Bodenhaftung.

Moderne Windkanäle und Messverfahren haben weiterhin die Erkenntnis möglich gemacht, dass frühere PKW-Modelle überproportional viel Luft über das Fahrzeug führen und zu wenig seitlich am Fahrzeug vorbei, auch dies wieder mit dem doppelten Augenmerk auf cw-Wert und Bodenhaftung, die beide mit einem geringeren Anteil der Überströmung über das Dach hinweg verbessert werden können. Die Lösung besteht in einer Frontpartie, die stärker als bisher in der horizontalen (straßenparallelen) Schnittebene gebogen ist, so dass die Front von oben betrachtet in der Mitte deutlich weiter vorsteht als weiter seitlich im Bereich der Radgehäuse. Weiterhin werden die Scheinwerfer bzw. Scheinwerfergehäuse nun nicht nur nach oben, sondern dreidimensional zugleich zur Seite angeschrägt.

Dieses verstärkte Beachtung der seitlichen Strömungen hat auch zur Verschmälerung der Heckpartie gegenüber der breitesten Stelle des PKW (im Bereich der Fahrgastzelle) geführt. Galten die protzig breiten Hecks namentlich von Fahrzeugen der oberen Mittel- und Oberklasse bis in die frühen 80er Jahre noch als Statussymbol, wirkt diese Linienführung bei aller Nostalgie heute steif und wenig dynamisch.

Schauen wir uns, ausgestattet mit den heutigen aerodynamischen Erkenntnissen, rückblickend einen VW-Käfer der 50er oder 60er Jahre an, können wir leicht die Stärken und Schwächen dieser ursprünglich sehr fortschrittlichen Karosserieform ausfindig machen: Man erkennt das offenkundige Bemühen um eine Annäherung der Gesamtform an einen hälftig aufgeschnittenen Tropfen mit abgerundeter Frontpartie und mittig etwas keilförmig auslaufendem Heck. Die gewölbte Dachpartie mit dem nahtlosen Übergang in ein Heck mit flacher Heckscheibe war ihrer Zeit voraus und fand erst ab den 90er Jahren universelle Verbreitung. Natürlich gab es zunächst noch keine dreidimensional gewölbte Frontscheibe, natürlich waren die Scheinwerfer noch nicht übergangslos in eine abgerundete Frontpartie integriert. Natürlich war auch das Trittbrett an der Türschwelle vorhanden, ein auch aerodynamisch störendes Überbleibsel aus der Pferdekutschenzeit, als man noch - wie heute beim LKW - hochsteigen musste. Doch der Hauptfehler des Konzepts wird erst heute richtig klar: Bei einem Straßenfahrzeug unterliegt die zwischen Straße und Fahrzeugboden durchströmende Luft anderen Bedingungen als die freie Luft zum Beispiel unter einer Flugzeug-Tragfläche. Im Resultat wird diese untere Strömung ohne besondere zusätzliche Vorkehrungen keineswegs verwirbelungsarm mit der oben über Dach und Heckpartie geführten Strömung vereinigt. Was dem Käfer fehlte, war - neben vielen modernen Details - die eindeutige Trennung zwischen einer oberen und einer unteren Luftabrisskante. Das Fehlen dieser Trennung war auch der Bodenhaftung namentlich bei Geschwindigkeiten über 100 km/h abträglich, denn, abgesehen von den bremsenden Wirbeln hinter dem Heck, gab es mit dem alleinigen "Luftabriss" am hinteren Stoßfänger einen gefährlichen Auftrieb ähnlich wie beim ebenfalls oberseits gewölbten Flugzeugflügel. In Verbindung mit dem geringen Gewicht auf der Vorderachse (Heckmotor) war das Konzept mit zunehmenden Geschwindigkeiten der Fahrzeuge und entsprechendem Bedeutungsgewinn der Straßenlage Anfang der 70er Jahre nicht mehr konkurrenzfähig. Der nachfolgende Golf I (1974) hatte trotz seiner kantigen Form mit cw = 0,41 einen günstigeren Luftwiderstandsbeiwert als der Käfer (cw = 0,48) und eine wesentlich bessere Bodenhaftung.

Den Blick wieder auf Gegenwart und Zukunft gerichtet, lässt sich feststellen, dass aerodynamische Entwicklungsarbeit maßgeblich zur Umweltschonung und zur Verbesserung unserer Sicherheit sowie auch unserer Lebensqualität beiträgt: Der Kraftstoffbedarf sinkt, weniger schädliche Abgase werden freigesetzt, viele Unfälle können dank verbesserter Straßenlage vermieden werden und weniger Windgeräusche stören dank verbesserter Aeroakustik während der Fahrt.