Kraftstoffe der
Zukunft
Weg von fossilen Energieträgern
Die fossilen Brennstoffe gehen zur Neige, namentlich Erdöl und Erdgas. Lagen
die Rohölpreise in den 1990er Jahren noch unter 20,- US$ pro Barrel, bewegten
sie sich im Verlaufe des Jahres 2012 zwischen ca. 80,- und 110,- US$. Exakte Ursachenanalysen fallen
schwer, die eher geringen Schwankungen bei den Fördermengen spielen offenbar keine
überragende Rolle, eher schon Spekulationen mitsamt den sie tragenden
psychologischen Effekten sowie die großen und kleinen Krisen der Weltpolitik.
Klar ist, dass wir im Ölmarkt weiterhin mit starken Schwankungen und insgesamt
steigenden Preisen rechnen müssen.
Erst über diesen Preismechanismus, keineswegs über bloße Einsicht in die
Endlichkeit der verfügbaren fossilen Energieressourcen, wird die Entwicklung
und Durchsetzung alternativer Kraftstoffe beflügelt.
Umso mehr darf man sich wundern, wenn nun selbst Leute mit ökologischem
Hinter-grund mit dem Argument gegen Biosprit Stimmung
machen, da würden Ackerflächen durch die Ölsaaten und Zuckerrüben für
biologische Kraftstoffe blockiert, die andernfalls für Nahrungsmittelproduktion
zur Verfügung ständen.
Da wird übersehen, dass der Einsatz von Traktoren und anderen
landwirtschaftlichen Fahrzeugen ganz wesentlich zur Steigerung der
Nahrungsmittelproduktion beiträgt. Ohne Biosprit aber
ist diese Mobilität auch in der Landwirtschaft über das Ölzeitalter hinaus
nicht zu gewährleisten.
Hin zur Nachhaltigkeit
Langfristig kommen ausschließlich regenerierbare Energieträger in Frage,
welche uns die Natur noch so lange nachliefert, wie uns die Sonne zur Verfügung
steht – also immerhin für die nächsten rund 4,5 Mrd. Jahre.
Wasserstoff ist als alternativer Treibstoff schon länger im Gespräch. Seine
Gewinnung durch elektrolytische Spaltung von Wassermolekülen geschieht idealer
Weise unter Nutzung von Sonnenenergie.
Das Problem ist jedoch die Aufbewahrung einer hinreichenden Menge von
Wasserstoff im Fahrzeug. Die dafür erforderlichen speziellen Tanksysteme, die
wegen der Sicherheitsproblematik kaum Ähnlichkeit mit einem konventionellen
Tank für flüssigen Treibstoff haben, sind sehr schwer im Verhältnis zur
speicherbaren Wasserstoffmenge. Der Durchbruch zur Entwicklung einer
wirtschaftlich konkurrenzfähigen Lösung lässt noch auf sich warten.
Strom aus der Steckdose für Elektrofahrzeuge hat zwar den Charme der
Sauberkeit am Einsatzort, doch wird der Ort des Verbrauchs fossiler
Energieträger lediglich vom Fahrzeug zum Kraftwerk verlagert.
Allerdings sind die Zukunftsaussichten nicht so schlecht. Wird der Strom
nachhaltig erzeugt (in Solar-, Windkraft-, Wasserkraft-, Biosprit- und
Biogas-Kraftwerken), ist das Elektroauto einer der Favoriten für die Mobilität
nach dem Ölzeitalter. Ob der große Durchbruch gelingt, ist in erster Linie eine
Frage von weitern Fortschritten in der
Batterietechnik.
Biodiesel aus Raps- oder Sojaöl sowie Ethanol aus Zuckerrohr, Zuckerrüben,
Kartoffeln, Mais und anderen Stärkelieferanten sind dagegen längst über die
Erprobungsphase hinausgekommen.
Ohne großen technischen Aufwand lassen sich Diesel- bzw. Benzinmotoren auf
diese alternativen Treibstoffe umstellen, die entsprechende Entwicklungsarbeit
ist bereits geleistet, der Einzug in die Kraftfahrzeug-Serienproduktion und in
die Nachrüstung findet mit zunehmender Geschwindigkeit statt.
Gegenwärtig ist Schweden das in Europa führende Land bei der schrittweisen
Umstellung auf Treibstoff mit Ethanolbeimengung,
zunächst nach der E5-Norm, seit Mai 2011 auf E10, also mit 10 % Ethanolgehalt.
2010, etwas später als in Schweden, wurde auch in Deutschland eine 5 % ige Beimengung entsprechend E5 vorgeschrieben. In 2011 ging
man etwa gleichzeitig mit den Schweden den nächsten Schritt und führte E10
verbindlich ein.
Die Automobilindustrie und Automobilclubs veröffentlichen Negativlisten mit
Fahrzeugen, die den neuen Kraftstoff mit 10 % Ethanolbeimengung
nicht bedenkenlos vertragen. Als technische Schwachstellen gelten insbesondere
Dichtungen und Schläuche einiger älterer Modelle.
Diese E10-Einführung in 2011 war von einer kritischen Diskussion begleitet,
man kann schon sagen überschattet, die in den Medien in einem Moment
losgetreten wurde, als die politischen Würfel längst gefallen waren und nachdem
die Mineralölindustrie und Logistik die technischen Voraussetzungen für
Produktion mit gewaltigen Investitionen geschaffen hatten.
Plötzlich, als es das erste E10 an den Zapfsäulen gab, kam es zu einer
wahren Flut sehr kritischer bis hart ablehnender Diskussionsbeiträge. Man darf
fragen, weshalb sich diese kritischen Stimmen erst so spät erhoben, die Pläne
waren schließlich lange bekannt und gehen noch auf die rot-grüne Regierung mit
S. Gabriel als Umweltminister zurück. Europa droht durch solche hausgemachten
Akzeptanzprobleme in einen gefährlichen Rückstand zu den USA zu gelangen,
welche gegenwärtig die Umstellung auf Ethanol mit großem Aufwand vorantreiben
und dadurch auf den nächsten Ölpreisschub gut vorbereitet sind. Der aber kommt
totsicher, ob nun durch Chinas Wirtschaftsboom oder durch eine politische Krise
am Persischen Golf.
Brasilien hat den E5-Kraftstoff, den wir erst seit wenigen Jahren kennen,
bereits 1931 (!) eingeführt und seit 1974, also seit der ersten Ölkrise, gibt
es dort E22, ein Benzin-Ethanol-Gemisch mit 22 % Ethanol. Dort und in Schweden
wird auch bereits seit vielen Jahren E85 angeboten. Letzterer Kraftstoff mit 85
% Alkohol sollte selbstverständlich nur in dafür umgerüsteten Fahrzeugen
verwendet werden. Die entsprechende Technologie wird FLEX FUEL genannt,
entsprechend ausgelegte Fahrzeuge heißen FFV (Flexible
Fuel Vehicles).
Da der Energiegehalt von Ethanol nur etwa 2/3 desjenigen von Benzin
beträgt, muss die Kraftstoffmengenbemessung entsprechend erhöht werden.
Gleichzeitig wird der Zündzeitpunkt zurückgenommen, da Ethanol die
Klopffestigkeit verbessert (Oktanzahl erhöht). Bei FFV wird die Einspritz- und
Zündelektronik über einen Sensor gesteuert, so dass der Motor mit jedem
beliebigen Mischungsverhältnis zwischen Benzin und Alkohol einwandfrei läuft.
Dies hat entscheidende Vorteile namentlich am Beginn einer allmählichen
Einführung von E85, weil ein Ausweichen auf reines oder fast reines Benzin
(etwa E5) jederzeit möglich ist.
Hätte die Angstmache vor überhöhtem Verschleiß durch die 10 % ige Ethanolbeimengung ein
sachliches Fundament, hätten die seit Langem mit 85 % Ethanol laufenden
Fahrzeuge schon alle einen Austauschmotor nötig gehabt.
Freilich gibt es durchaus plausible theoretischen Betrachtungen zu
Motortemperaturen, Ventilspiel, Ölviskosität und Alkoholkondensation an den
Zylinderwänden unmittelbar nach dem Start, welche mögliche
Nachteile des Ethanols betreffen. Sucht man aber nach Zahlen, welche die
behauptete Problematik zusammenfassend quantifizieren, stößt man auf nicht viel
mehr als eine Schätzung, nach welcher bei 85 % (!) Alkoholbeimengung „bis zu 20
% mehr Verschleiß“ zu befürchten sei. Welcher Mehrverschleiß ist dann wohl von
einer nur 10 % igen Beimengung zu befürchten? – Wer
hinsichtlich des Verschleißes doch Bedenken hat, sei auf das Kapitel „Kraftstoffsparende
Veränderungen an PKW“, Punkte K) und N) verwiesen.
Da die Preiserhöhungen im zeitlichen Umfeld der E10-Einführung
unglücklicherweise mit der Libyenkrise und einem resultierenden Rohölpreisanstieg
zusammenfielen, lässt sich schwer auseinanderhalten, inwieweit hier flagrante
Abzocke im Oligopol der Mineralölbranche vorlag oder funktionierende
Marktwirtschaft. Die Literpreise für Benzin (ohne Steuern!) und in Deutschland
produziertes Bioethanol liegen relativ nahe beieinander. Für 2010 wurden
Ethanol-Verkaufspreise ab Erzeuger für Brasilien (aus Zuckerrohr) mit 20 bis 22
Cent/l, für die USA (aus Mais) mit 33 Cen/l und für
Deutschland (aus Zuckerrüben) mit 52 Cent/l angegeben. Man kann diese Preise
mit den Benzin-Einkaufspreisen ab Raffinerie vergleichen, wie sie auf den
Webseiten der Mineralölkonzerne (Stichwort Zusammensetzung der Benzinpreise)
veröffentlicht werden. Da Ethanol nur rund 66 % des Energiegehalts von Benzin
hat (der allerdings wegen der höheren Oktanzahl gut ausgenutzt werden kann),
ist von einem Mehrverbrauch eines Fahrzeugs mit E10 im Vergleich zum bisherigen
E5 von nur knapp 2 % auszugehen. Bei der üblichen Preisdifferenz von ca. 4 Cent
pro Liter ist das Tanken von E10 also etwas günstiger.
In Brasilien hat man jedenfalls sehr positive Erfahrungen mit Alkohol im
Tank (nicht am Steuer) gemacht. Bei den gegebenen Rohölpreisen ist dort Ethanol
von ganz alleine konkurrenzfähig. Im Resultat ist der ideale Weg derjenige, von
Seiten der Regierungen mit sanftem Druck auf mehr Unabhängigkeit von fossilen
Kraftstoffen hinzuwirken, denn die viel gepriesenen Kräfte des Marktes können
natürlich nur dann innerhalb angemessener Zeit zu sinnvollen Resultaten führen,
wenn es für den Konsumenten überhaupt Alternativen gibt. Die kann man in Brasilien
studieren: Nach langjähriger staatlich vorangetriebener Entwicklung im Rahmen
der PROALCOOL-Kampagne kann nun gut die Hälfte der Autofahrer - nämlich die mit
FFV - an der Tankstelle selbst entscheiden, in welchem Mischungsverhältnis
zwischen Benzin und Ethanol getankt wird. Dieses System vermag Schwankungen des
Welt-Rohölpreises und damit des Benzinpreises besser abzufedern als eines ohne
Ausweichmöglichkeiten, welches allein über den Preis wirkt.
Ebenfalls über den Preis konnte in den letzten Jahren Autogas / LPG (Liquefied Petroleum Gas) zu einer großen und wachsenden
Verbreitung als PKW-Kraftstoff finden. Das Gas (im Wesentlichen ein Gemisch aus
Butan und Propan) lässt sich bei mäßigem Überdruck von ca. 5 bis 12 bar sicher in
flüssiger Form speichern, erfordert aber beim Nachrüsten einen speziellen Tank,
der zu Lasten des Kofferraums geht. Wirtschaftlich kann der Umbau bei
Vielfahrern relativ rasch die einmalige Investition über die laufenden
Einsparungen wieder hereinholen. Die Vor- und Nachteile muss jeder selbst
gegeneinander abwägen; auf der Negativseite zählt die geringe Leistungseinbuße
wohl am wenigsten, schon eher die etwas zeitraubende Betankung und das noch
weniger dichte Tankstellennetz. Im Vergleich mit einem Benziner ist ohne Additiveinsatz
auch der Motorverschleiß etwas erhöht, da das trockene Gas im Unterschied zu
dem Erdölprodukt Benzin keinerlei Schmier- und Kühlwirkung hat. Namentlich der
Bereich der Ventilsitze kann in Mitleidenschaft gezogen werden, falls diese
noch nicht wie bei modernen Fahrzeugen gehärtet sind. Grundsätzlich empfiehlt
sich die Verwendung eines reibungsminderenden speziellen Treibstoffadditivs.
Konventionell fallen die LPG-Bestandteile Butan und Propan in Raffinerien
an. Doch gibt es sehr ermutigende Forschungen und Probeproduktionen, die
erwarten lassen, dass diese Gase zukünftig mit Hilfe von Mikroorganismen ohne
Erdöleinsatz nachhaltig produziert werden.
Für die Zukunft des Automobilbaus bedeuten diese Entwicklungen, dass die
Zeit der Verbrennungsmotoren nach dem Diesel- und insbesondere nach dem
Otto-Prinzip (Benzin, Alkohol, Autogas) noch lange nicht abgelaufen ist. Umso
wichtiger ist es daher, alle Einsparmöglichkeiten dieser Verbrennungsmotoren
auszunutzen.